Ron Ulrich

Redakteur & Reporter

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Satire/Liveticker

Don’t look back in ENGer!

I heard you say. So you start a revolution with your waistcoat. England scheidet im Halbfinale aus. Kroatiens Mario ist „Mand of the Match". Weint in seine Plattensammlung: der Ticker.

Kroatien-England im Liveticker

15:45 Uhr

Freunde, es ist noch ein bisschen früh, aber sei es drum. Denn es geht ja schließlich um den Einzug in ein WM-Finale. Auf der einen Seite, eine Mannschaft, die zwar als Geheimfavorit galt, aber doch schon eine Überraschung gelandet hat. Die sogar Elfmeterschießen gewinnen. Und deren Staatsoberhaupt immer bestens gekleidet ist. Auf der anderen Seite: England. Ab 19:30 Uhr tickern hier Ron »Fish and Chips« Ulrich und Tobi »Cevapcici« Ahrens was das Zeug hält.

16:16 Uhr

Aber jetzt entschuldigt uns, der Chef hat sich im Flur positioniert und möchte eine Rede halten. 

19:18 Uhr

So, langsam geht’s los. Ich hole noch eben den Kollegen und Kroatiensympathisanten Ulrich aus der Sonne. 


19:32 Uhr

Starke Strategie der Öffentlich-Rechtlichen, um ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Eine halbe Stunde vor Anpfiff des WM-Halbfinals interviewt Martin Fornoff den Untersuchungsausschussvorsitzenden zum NSU. Schade, dass von diesem System erst jetzt Gebrauch gemacht wird. Statt eine gut recherchierte CSU-Reportage vor Deutschlandspielen zu senden. Ausgestrahlt auf allen Fanfesten des Landes. 

19:37 Uhr

Der feuchte Traum von Oliver Bierhoff und Reinhard Grindel: Keine Politik, nur noch Fußball. Welke und Kahn im Studio. »Erfahrene Kroaten oder junge, wilde Engländer. Wer wird es machen?«, fragt Oliver Welke, während sich mehrere Bauer-sucht-Frau-Redakteure ob der verpassten Alliterationen angewidert abdrehen. 

19:41 Uhr

»Southgate«, sagt der Sprecher aus dem Off, »der Anführer einer Truppe aus Normalos.« Zeigt dann 150-Millionen-Mann Harry Kane und 25-Millionen-Mann Harry Maguire. Und noch nie in meinem Leben, das so unaufregend ist, dass nur noch Dackel und Reihenhaus fehlen, habe ich mich so weit entfernt von »normal« gefühlt. Englands Nationalmannschaft, die graueste Maus seit Alf. 

19:44 Uhr

+++ EIL: Auch England verzichtet auf Sandro Wagner. +++ 

19:49 Uhr

Habe mir übrigens, ganz dem Anlass entsprechend, auch eine Weste angezogen. Ziemlich günstig, diese edlen Dinger.

Ronny Schäfer

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19:51 Uhr

Liebe Kroaten, nichts für ungut. Aber die Engländer haben uns Monthy Python und die Beatles geschenkt, Paul Gascoigne und die Sex Pistols, David Bowie und Oasis. Sie haben uns gezeigt, dass es vollkommen ok ist, mit 14 Pints intus zu versuchen, ein Glas auf der Stirn zu balancieren und zu „I bet you look good on the dancefloor“ zu tanzen oder nur mit einer Boxershort bekleidet am Terminal einzuchecken. Sie hassen LaOla, den Body-Mass-Index und Sonnencreme so wie wir und mein Gott, sie haben auch einen vollkommen unberechenbaren Boris. Obwohl, das nicht mehr. Aber alles andere stimmt. Und so pressen wir es so neutral wie wir nur können durch unseren zitternden Kiefer: 52 years of hurt. No more need for dreaming. It’s coming home.

19:55 Uhr

Jetzt. Die Hymnen.

19:57 Uhr

Watergate. Dieselgate. Southgate. Und damit meinen wir nicht den derzeitigen Skandal, was für Leute aus dem Süden Deutschlands gerade Ministerposten bekleiden. Sondern das Skandalöse: England hat einen guten Keeper, trifft Elfmeter und hat einen Trainer mit Modegeschmack. Mit Westen geht die Sonne auf.

19:59 Uhr

Beide Aufstellungen wie im Viertelfinale. Immer die gleichen Leute und abgehangene Ideen – oder wie wir hier sagen: eine Filmreihe von Til Schweiger.

1.

Anstoß. Kick-off. Oder: Anstic.

2.

Nach zehn Sekunden erstes Foul. Und irgendwo weint Vinnie Jones in seine Biografie von Ulli Borowka, signiert von Tomasz Hajto. Mit Blut.

5.

TOOOOOOOOOOOOOOOR! Freistoßtor England. Trippier thomashässlert den Ball über die Mauer. This is the best Trippier I’ve ever been on.

6.

Die Engländer führen und sie spielen „Football’s coming home“. Ich sag nur: Jules Rimet still gleaming

8.

Die Kroaten erst einmal geschockt, kommen jetzt mit einer Ecke zurück. Luka Modric – doch Harry Maguire schädelt den Ball aus der Gefahr mit der Lässigkeit eines Ordnungsamtmitarbeiters, der einen alten Fiesta abschleppen lässt. „Sie wissen, dass hier zwischen 20 und 22 Uhr absolutes Halteverbot ist. Haben Sie nicht das Schild gesehen? Da steht: This is England!“

10.

Trippier sticht zu. Aber nun gut, soll keiner sagen, er hätte es vorher nicht gewusst. 

11.

Und Maguire so:

12.

Noch schlimmer als Spieler, die sich bei ihren Kollegen für eine Flanke bedanken, die 15 Meter zu weit und 150 km/h zu schnell kam: Spieler, die sich entschuldigen, noch bevor sie die Flanke überhaupt geschlagen haben.

14.

Da haben sie die Rechnung wohl ohne den kroatischen Wirt gemacht.

17.

Der vierte Offizielle redet auf Englands Trainer ein, vielleicht soll er sich etwas mäßigen.
»Herr Southgate, etwas ruhiger, bitte.«
»Sir Southgate.«
»Was?«
»Was?«

19.

Englands Torwart mit schnellem Umschaltspiel. Oder wie seine Landsleute sagen: Wenn er ihn pickt, ist er schon ford.

20.

»Die Kroaten«, sagt Schmidt, »sie wurschteln sich so langsam rein.« Toll, wenn er jetzt noch die Worte »Ausputzer« und »reinbomben« verwendet, kann er das 90er-Halbfinale gleich nachsynchronisieren.

23.

Maguire war ja noch vor zwei Jahren als Fan bei der Europameisterschaft. Hat dort, im Nahkampf mit Russen und/oder Polizisten, aber wohl einiges gelernt und den Engländern bei Standardtraining eingeimpft. Erst in einer Reihe aufstellen, dann wild in alle Himmelsrichtungen flüchten.

25.

Pickford könnte in seinem zehnten Länderspiel Weltmeister werden. Lächerlich, ich habe es vor vier Jahren ohne einen einzigen Auftritt geschafft.

27.

Gute Nachricht für Bauer-sucht-Frau-Redakteure: Dele Alli spielt mit.

30.

Schöne Geste: England hat heute auch Leute ins Stadion eingeladen, die im 19. Jahrhundert dabei waren, als sie den Fußball erfunden haben.

31.

Kane allein vor dem Tor – scheitert – aber Halt, Halt, Abseits. Fehlentscheidung. 2:0 und die Kroten wären hier schneller raus als ein handelsüblicher Brexit-Minister.

34.

Schuss Kroatien, Pickford ist zur Stelle. Dann Riesengrätsche von Ashley Young zur Rettung. Der – so der Kommentator Schmidt – gar nicht so jung sei, sondern schon 33. Ich denke: „Was, der Kerl ist schon so alt? Unglaublich.“ Erst nach einigen Sekunden merke ich: Dieser Kerl ist gerade mal ein Jahr älter als ich.

Süßer Vogel Jugend, da gehst du dahin.

37.

Delle Alli spielt Jesse Lingard frei, der schiebt den Ball mit der Innenseite, aber er schiebt ihn zu weit vorbei. Sind das die Chancen, die sich später rächen? Die guten alten Zeiten, von denen wir später sprechen? Wenn wir mit Jordan Pickford seine Alimente auf einem englischen Vorortparkplatz mit mehreren Litern Strongbow auf Ex aus einer Kentucky-Fried-Chicken-Superbox versaufen ?? Und im Autoradio spielen sie „Those were the days“. Leichter Nieselregen von rechts. „2018? It’s all dead and gone, mate. All gone.“

41.

Neuer Trend von Modric: No-Looka-Pass.

43.

Dalic schwitzt. Das Hemd leidet. Zu Anfang war es noch so weiß, als hätte man Jürgen Klopps bearbeitete Kauleiste auf Stoff gepresst. Jetzt sieht es so zerknautscht aus wie das Gesicht von Ralf Stegner während der Koalitionsverhandlungen.

45.

Rakitic im Strafraum – vertändelt, vertändelt, so schlecht. Bis hierhin konnte er noch verheimlichen, mehrere Jahre mit Heiko Westermann und Orlando Engelaar auf Schalke gespielt zu haben. Aber das ist jetzt endgültig aufgeflogen, Bursche!!!

45.

Halbzeit. Halbfinale. England rappelvoll.

20:53 Uhr

Halbzeitfazit? Ich sag mal so: Donald Trump würde mehr Einsatz einfordern, völlig egal, ob das Sinn ergibt. 

20:58 Uhr

Irre Wende an diesem Abend: Sehe gerade einen ehemaligen Teamkollegen in den Nachrichten neben Horst Seehofer stehen. Mensch, Junge, so schlimm war deine Passquote doch gar nicht! 

21 Uhr

Kahn: »Die Mauer macht alles richtig. Sie springt hoch.« What a time to be alive as a Fußballexperte.

46.

Es ist Eng. Aber ist es auch Land? Der Wiederanpfiff.

46.

Sterling foult Modric nach zehn Sekunden. Und irgendwo in Wimbledon vergießt Vinnie Jones eine kleine Träne der Rührung. Eine kleine Träne aus Stahl.

47.

Gelbe Karte für Ante Rebic. Blasphemie wird in Russland also mittlerweile auch geduldet.

50.

Gelbe Karte für Rebic. Oder doch für Mandzukic? Alle sind ein bisschen verwirrt. Vielleicht liegt es am Schachbrettmuster der Kroaten. Es wäre ja nicht das erste Mal: 


52.

Fühle mich wie ein Meteorologe, der gerade frisch von der Uni kommt, seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen macht. Am nächsten Tag aber trotzdem den Hass auf sich zieht, denn: Der Harry Kane bleibt bisher aus.

54.

Von Mesut Özil bisher nichts zu sehen. Bezeichnend.

55.

Hyde Park beim 1:0. Ja, das ist Bier. Und ja, das ist England.

59.

Die englische Abwehrkette so zäh und hart, dass sie auf der Insel überlegen, ihre Speisekarten nach ihnen zu benennen.

61.

Kroatien jetzt mit solidem Kurzpassspiel. Modric organisiert, Rebic bietet sich an, Mandzukic lässt wieder klatschen. Sieht ganz gut aus, dieses kroatische Tiki-Taka. Oder wie sie es nennen: Titsch-Tatsch-To.

64.

Mein innerer Ronnie Schäfer erwacht zum Leben. Denn bitte, was ist das denn hier gerade?! Wieder eine Mannschaft, die nach einem Standardtor hintendrin steht, während die andere Mannschaft vor sich hinstolpert, aber auch kaum Torgefahr ausstrahlt. Was ist das hier? Die Gruppenphase, 3. Spieltag, zwischen zwei Mannschaften, die Sperren verhindern wollen? Oder ist es ein perfider Plan der Uefa, um uns die Europa-League-Qualifikation schmackhaft zu machen?! Denn damit, liebe Leute, könnt ihr aufhören (etwas leisere, etwas beschämte Schreibstimme), die Quali guck ich sowieso.

65.

Eine Minute später: Riesenchance für Kroatien. Pickford hält wieder sensationell. Bitte, geht doch. Sind ja auch alle in der EU.

68.

Und jetzt: TOOOOOOOOR für Kroatien! Durch einen, den viele Wolfsburger kennen. Von den Ankündigungsplakaten auf dem Weg zur Maloche: Ivan Perisic. Setzt sich gegen Trippier und Walker durch, schießt ein. Und wieder stimmt das südenglische Sprichwort, das sie seit dem Stapellauf der Titanic ausspucken: Kein Mensch, kein Tier, die Nummer Vier.

70.

»Das muss er doch pfeifen«, brüllt Kollege Ulrich. Aber hören Sie nicht auf den. Der glaubt auch, dass Schalke nochmal Meister wird.

71.

Was zur Hölle ist denn hier los?! Perisic, mit der Nummer von Ante Rebic ausgestattet, aber eben auch mit dem Selbstvertrauen. Hält einfach mal drauf, aber trifft nur den Pfosten. Oder wie sie es auf der Insel nennen: Gazza.

73.

Das letzte Mal, dass sich ein Fußballteam so sensationell aus einem Loch befrei.. Ach, lassen wir das.

75.

Jetzt die Kroaten wieder mit enger Deckung. Was eine Spannung! Ich fühle mit all den Kroaten in meiner Umgebung in Berlin, die italienische Restaurants betreiben und sich mit »Au revoir« verabschieden.

79.

Und jetzt alle: »Three Lions on a shirt….!« Oder wie es Maradona singen würde: »Three lines on a shirt.«

81.

Chance Mandzukic – Pickford. Kroaten jetzt mehr am Drücker als jeder „Familien-Duell“-Teilnehmer. Nennen Sie einen Ort mit viel Beinfreiheit? Englands Strafraum.

85.

Modric spielt die Bälle hier unaufgeregt weiter mit Hacke, Seite und Außenrist, als würde er bei einem Sonntagskick seiner Söhne ein bisschen mitdaddeln. Der Mann hat mehr Gefühl im Fuß als jeder Titel von allen „Kuschel-Rock-Compilations“ seit 1994. Zusammen.

87.

Und im Stadion feuern die russischen Zuschauer, genau, Russland an. Als würde der Gastgeber auf der Party nur seine Musik spielen und nur sein Lieblingsessen ausgeben wollen. Was gibt’s? Brokkoli und Blutwurst. Hmmh. Bedient euch! Aber nachher nichts eintuppern, ist abgezählte Ware.

90.

Es zieht sich hin, es geht wohl alles in die Verlängerung und keiner weiß, ob England hinterher weint. Doch genug vom Brexit. Weiter 1:1.

91.

Drei Minuten gibt es oben drauf. Foul an Rashford. Freistoß England. Could this be the moment, that Kieran Trippier delivers the dream???

92.

Kane daneben. Abel applaudiert.

93.

Schluss. Verlängerung.

21:53 Uhr

Football wie ein Langzeitstudent, der sich eingestehen muss, dass es nichts mehr werden wird mit dem Abschluss, der sich auch nicht mehr selbst finanzieren kann, aber all die Vorteile, die schönen Momente, die besoffene Freude nicht missen möchte. Hängt noch ein Semester dran.

91.

Was sagt Theresa May, wenn Boris Johnson und Nigel Farage in der Tür stehen? »Auch das noch.« In diesem Sinne: Weiter geht’s.

92.

Aus unserer beliebten Rubrik »Auch wieder wahr«. 

93.

Die beiden Konkurrenten taumeln hier wie zwei Schwergewichtsboxer im Anwärterkampf miteinander durch den Ring. Auf den Tribünen reagieren erste Russen empört. Hätten sie das doch nur gewusst, sie hätten ihren besten Mann, Nikolai Sergejewitsch Walujew, im Viertelfinale auf den Platz geschickt.

94.

Ich korrigiere mich. Der stand ja tatsächlich auf dem Platz. 

96.

Ante Rebic jetzt mit der Gelben Karte, absolut verdient nach diesem Foul. Aber eigentlich ist es ja schon seine zweite Gelbe. Gelb-Gelb. Gelb-Rot. Oder wie man hier in Berlin sagt: »Ah, da kommst noch locker drüber, wa«

98.

Wenn du zur WM fährst und erst im Halbfinale merkst, dass der Herd noch lief. 

100.

Kroatiens Verteidiger mit dem Zopf rettet mit einer schönen Bewegung, einer eingesprungenen Pirouette, den Ball vor dem sicheren Seitenaus. Jede Bewegung dieses Spielers ein Vida-Spruch.

102.

Luka Modric, der ja sowieso alles macht und lenkt und organisiert, grätscht jetzt auch noch eisenharte Briten weg. Im 58. Pflichtspiel seiner Saison, die zwei letzten über 120 Minuten. Würde mich nicht wundern, wenn sich Joey Kelly gleich die Maske abreißt.

104.

»Beide Teams nur noch einen Schritt vom Finale entfernt«, sagt Schmidt. Oder wie Joachim Löw sagen würde: Mexiko.

105.

Und die französische Scoutingabteilung so…

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105.+2

Und jetzt: Die ganz große Chance für Kroatien. Flanke Perisic, Mandzukic stiehlt sich davon – Pickford. Mit seinem Bein, ach was, mit Leib und Seele und Herz. Bleibt einfach stehen, mitten in der Luft, zur Not wäre er genau dort eine Treppe aufgestiegen. Eine freistehende Treppe aus massivem, grauen Beton. Und genau daran prallt Mandzukic ab, hinein in den innenarchitektonischen Traum, der sich Englands Strafraum nennt. 

105.

Weiter gehts. Bzw. Weiter southgates.

107.

Da hat er auch wieder recht:

108.

Brozovic mit der Chance. Ist hier – laut Kommentator Schmidt – 15 Kilometer gelaufen. So viel schaffe ich in einem Monat, suchende Wege zur Fernbedienung inbegriffen.

109.

Toooor! Mandzukic!!!!!!! Ein Ball fällt einfach so wie ein Herbstblatt in den Strafraum und Mandzukic schiebt ihn cool ins lange Eck. 2:1 für Kroatien. Wenigstens ein „Super-Mario“ hat bei dieser WM nicht nur Mist fabriziert.

111.

Sudden Death. Ist das der plötzliche Tod für England? Southgate macht das einzig Richtige: Nun ist nicht mehr die Zeit für Leute, die nachdenken. Nun ist die Zeit für Leute, die sich erst zum Tresen durcharbeiten und dann erst überlegen, was sie bestellen wollen, wenn sie schon lange getrunken haben. Vorhang auf, Einwechslung Jamie Vardy.

114.

Mario bisher »Mandzu of the Match«.

115.

Viel Zeitspiel jetzt bei Kroatien. Die Spieler müssen aufpassen: Wenn sie noch weniger Anstand zeigen, werden sie alle noch Innenminister in Deutschland.

116.

Verletzung bei England. Die »Three Lions« jetzt nur noch zu zehnt in den letzten fünf Minuten. Southgate schickt Anthony Joshua zum Warmmachen. DAS hier ist die K.O.-Phase.

118.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Satz in diesem Leben noch einmal schreiben werde: Aber England betet für ein Elfmeterschießen!

119.

England bleibt hängen, die Kroaten kontern. Kramaric ans Außennetz. England schüttelt sich – es ist noch nicht vorbei. People are on the pitch – they think it is all over. It is not yet.

120.

Drei Minuten Nachspielzeit. We still believe! Raktic mit der Rudelbildung – auch das hat er sich aus Gelsenkirchener Fußgängerzonen abgeguckt.

120.+1.

Lingard schreit. Ist es Verzweiflung? Jesse Lingard, der nimmermüde Lächler, ist voll von Verdruss. Ich kann nicht mehr hinschauen. Eher würde ich die Bambi-Erschießung noch mal tickern.

120.+3.

Aber sie kommen nicht mehr durch. Jetzt noch mal, die allerallerallerletzte Chance. Freistoß für England in der Hälfte der Kroaten. Marcus Rashford legt sich den Ball hin…

120.+4.

Lovren köpft den Ball raus – und das Spiel gleich mit !!!!! Kroatien im Finale!!!!

22:39 Uhr

Jetzt ist es aus. England ist draußen, der Fußball kommt nicht heim. Der Fußball macht Urlaub an der kroatischen Adria. Und hält sich seine fette Lederplunze in die Sonne, denn warum auch nicht: Ist nämlich richtig schön da! Denn bei allem Mitleid, das man für die Engländer und ihr gestopptes Sommermärchen hat,  wenn Wille irgendwann neu geschrieben wird, dann wird es K-R-O-A-T-I-E-N buchstabiert. 

22:47 Uhr

Und beim Anblick des Tores von Perisic sind die Parallelen zu Deutschlands Sommermärchen 2006 doch eindeutig. Diese Mannschaft, die unschlagbar schien, und dann doch verdient verloren hat. Und alles, was bleibt, sind: Erinnerungen. Und die Gewissheit, nie wieder beim Kroaten essen zu gehen. Was für eine dramatische Entwicklung für Pizzerien in Manchester.   

22:53 Uhr

Ich gehe raus ans Fenster, lasse das Spiel Revue passieren. Mein Gesicht kurz erleuchtet vom Feuerwerk der kroatischen Fans, die gerade eine große Party feiern. Es sei ihnen gegönnt. Und ich denke daran, dass es irgendwie dann doch schön ist, dass die Kroaten, nie zuvor in einem Finale, endlich ein ganz großes Spiel bekommen. Ich bin fast mit mir zufrieden, im Reinen, bis der Donner mich aufschreckt. Das Feuerwerk, es ist ein grollendes Gewitter. Wie ein wütender Schuss von Ante Rebic. Beruhigend. 

Gute Nacht, liebe Freunde.